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Gallo – Entdecke die unbekannte Sprache der Bretagne

von | 23 Okt 2023

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Viele denken, dass in der Bretagne nur Französisch und Bretonisch gesprochen wird.

Quatsch!

Tatsächlich ist die Bretagne eine mehrsprachige Region.

Bretonisch im Westen, das stimmt.

Aber im Osten der Bretagne ist traditionell die Gallo Sprache vorherrschend.

Oder „Patois“, wie man damals sagte.

Plus das Französische natürlich.

Das diese beiden Regionalsprachen in den bretonischen Haushalten in den letzten Jahrzehnten verdrängt hat.

Hier also einige Elemente, um Gallo, diese verkannte Sprache der Bretagne, besser zu verstehen.

Was ist Gallo eigentlich?

Gallo: eine Oïl-Sprache

Gallo gehört zu den sogenannten Oïl-Sprachen („langues d’oïl“).

Diese Sprachen sind aus dem in Gallien gesprochenen Vulgärlatein hervorgegangen.

Die Franken veränderten später diese Sprachen, als sie diese übernahmen.

Ebenso wie die Wikinger, die altnordisches Vokabular mitbrachten, als sie im 10. Jahrhundert in die Bretagne einfielen.

Davon profitierten insbesondere das Gallo und die normannische Sprache.

Die Oïl-Sprachen sind in der gesamten Nordhälfte Frankreichs zu finden.

Von der Bretagne bis hin zum romanischen Lothringisch und Frainc-Comtou im Osten.

Auch das in Kanada gesprochene akadische Französisch gehört zu den Oïl-Sprachen.

Schließlich stammen die meisten ihrer Vorfahren aus Westfrankreich.

Karte von Gallo Sprache in der Bretagne

Gallo: Dialekt oder eigene Sprache?

Ach, ganz schwierige Frage!

Die Experten sind sich da nämlich nicht alle einig.

Außerdem gibt es derzeit keine allgemein anerkannten Kriterien, um einen Dialekt von einer Sprache zu unterscheiden.

Eine klare Grenze zwischen Dialekt und Sprache gibt es dementsprechend nicht.

Eins ist aber sicher:

Gallo ist keine Verzerrung des Französischen.

Es wäre für einen Französischsprachigen auch nicht leicht zu verstehen (siehe Beispiel unten).

Übrigens: Selbst innerhalb des Gallo gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Gegenden!

Beziehungen zwischen Bretonisch und Gallo

Ursprung der bretonischen Sprache

Der Ursprung des Bretonischen ist ein ganz anderer als der des Gallo.

Die bretonische Sprache gelangte ja im 5. Jahrhundert nach Armorica (heutige Bretagne).

Grund dafür war eine Massenmigration von Bevölkerungsgruppen aus dem heutigen Großbritannien.

Bei “Massenmigration” meine ich wirklich “Massenmigration”.

Einige Forscher sprechen von 50.000 Menschen, die nach Armorica ausgewandert wären.

Was für damals enorm war.

Andere geben durchaus noch höhere Zahlen an.

Auch wenn es natürlich schwierig ist, das Ausmaß dieser Migrationen genau zu quantifizieren.

Schließlich reden wir von einer besonders weit zurückliegenden Zeit.

Foto von Weganzeiger in der Bretagne

Koexistenz von Gallo und Bretonisch

Beide Sprachen bestanden in der Bretagne jedoch jahrhundertelang Seite an Seite.

Logischerweise bestehen Verbindungen zwischen dem Bretonischen und dem Gallo.

Ein gewisser Einfluss ist in solchen Situationen unvermeidlich.

Die Beziehungen zwischen Gallo und Bretonisch sollen anscheinend ähnlich wie die zwischen Scots und Schottisch-Gälisch in Schottland sein.

Eine Grenze zwischen bretonischem und gallischem Gebiet bildete sich mit der Zeit.

Sie wurde irgendwann eindeutig: Entweder wurde an einem Ort Gallo oder Bretonisch gesprochen.

1845 sprach sogar der Historiker Pitre-Chevalier von der „chinesischen Mauer des bretonischen Idioms“.

Diese Grenze soll sich im Laufe der Zeit natürlich hier und da verschoben haben.

1539 kam noch dazu die Verordnung von Villers-Cotterêts.

Dadurch wurde Französisch zur offiziellen Rechts- und Verwaltungssprache in Frankreich.

Und das, obwohl das Standardfranzösisch ja recht “spät” in der Renaissance auftauchte.

Eigentlich verbreitete später vor allem die Schule die französische Sprache im ganzen Land.

Die Wehrpflicht, der Ausbau der Straßen und Eisenbahnstrecken sowie die Landflucht taten ihr Übriges.

Die Gallo-Sprache heute

Aktuelle Lage des Gallo

Etwa 200 000 Menschen sollen heute noch Gallo in der Bretagne beherrschen.

Auch wenn diese Zahl natürlich mit einer gewissen Vorsicht zu genießen ist.

Manche Menschen sprechen es ja zum Beispiel nicht.

Aber sie verstehen es.

Gallo ist heute die einzige Oïl-Sprache, die vom französischen Bildungsministerium als „Regionalsprache“ anerkannt ist und daher in der Schule unterrichtet werden darf.

Dennoch ist es neben dem Lothringerfränkisch nach wie vor eine der am wenigsten unterrichteten Regionalsprachen in Frankreich.

Gallo wird auch von der UNESCO als ernsthaft gefährdete Sprache eingestuft.

Foto von Strassenschild in der Bretagne

Gallo während deines Aufenthalts in der Bretagne

Eigentlich solltest du in deinem Urlaub leider nicht allzu oft mit Gallo konfrontiert werden.

Selbst in den traditionellen regionalen Medien ist das Gallo kaum zu finden.

Es wird aktuell versucht, die Präsenz des Gallo insbesondere im audiovisuellen Bereich zu erhöhen.

Aber auch hier handelt es sich wirklich nur um eine Nische.

Die Verbreitung des Gallo im Fernsehen ist heute noch anekdotisch.

Auf den Straßenschildern im Osten der Bretagne könntest du es allerdings noch hier und da entdecken.

Aber um es wirklich zu erleben, wirst du dich vor Ort mit Einheimischen unterhalten müssen.

Und hoffen, dass sie (noch) Gallo sprechen!

Aber ist es sowieso nicht das Schönste an einer Sprache, sie in ihrem tatsächlichen Kontext zu entdecken?

Beispiel der Gallo Sprache

Gallo

“Le monde vienent su la térre librs tertous e s’ent’valent en drets e dignitë.

Il lou apartient d’avaer de la réson e de la conscience e il ont de s’ent’enchevi conme feraen dés freres.”

Französisch

“Tous les êtres humains naissent libres et égaux en dignité et en droits.

Ils sont doués de raison et de conscience et doivent agir les uns envers les autres dans un esprit de fraternité.”

Bretonisch

“Dieub ha par en o dellezegezh hag o gwirioù eo ganet an holl dud.

Poell ha skiant zo dezho ha dleout a reont bevañ an eil gant egile en ur spered a genvreudeuriezh.”

Deutsch

“Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.”

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