Eine selbstgeführte Tour durch das Künstlerviertel von Paris
Du möchtest den Montmartre abseits der üblichen Touristenpfade entdecken?
Den Geist dieses Pariser Künstlerviertels besser kennenlernen?
Dann bist du hier genau richtig.
Auf diesem Spaziergang lade ich dich ein, mir in die aufregende Geschichte dieses außergewöhnlichen Viertels zu folgen.
Tipps für die Besichtigung
Diese Tour dauert ungefähr einen halben Tag.
Du wirst mehrere Treppen hinauf- und hinuntergehen müssen.
Wenn du also ein Baby mit dabei hast, solltest du unbedingt eine Babytrage mitnehmen.
Ich empfehle dir, diese Tour am Morgen zu starten, so früh wie möglich nach Sonnenaufgang.
Sehr schnell ist das Viertel nämlich von Touristen überlaufen.
Nimm auf jeden Fall eine Wasserflasche und Snacks mit.
Es tut ja immer gut, auf dem Weg eine kleine Pause einzulegen und etwas zu essen.
Wenn du möchtest, kannst du auch dein Picknick einpacken.
Ich werde dir Orte zeigen, an denen du es in Ruhe und abseits der Menschenmassen essen kannst.
Ich habe diese Tour entworfen, um dir Montmartre aus der Sicht eines Franzosen zu zeigen.
Ich gebe dir daher viele Anekdoten und Geschichten über die Orte, an denen wir auf unserem Spaziergang vorbeikommen werden.
Du kannst diese kleinen Geschichten ganz einfach über die Aufklappmenüs finden.
So kannst du sie lesen, wenn sie dich interessieren.
Wenn du aber nicht so sehr auf Kultur stehst, kannst du auch einfach der Tour folgen und die schöne Atmosphäre von Montmartre genießen.
Start: Metrostation Anvers
Die Tour startet von der Metrostation Anvers (Linie 2).
Gehe in die Rue de Steinkerque. In der Ferne solltest du bereits die Basilika Sacré-Coeur sehen können.
Die Straße ist voll von Touristenläden... Ich würde dir ehrlich gesagt nicht empfehlen, dort etwas zu kaufen. Es sei denn, du bist ein Fan von Made in China.
Vorsicht übrigens: Die ersten Betrügereien deines Tages finden ebenfalls hier statt.
Mädchen, die dich dazu bringen wollen, ein blödes Papier zu unterschreiben, um dich dann zu bestehlen.
Oder Gruppen, die vorgeben zu wetten, wo sich der unter einem Becher versteckte Ball befindet.
Sei also wachsam.
Am Ende der Rue Steinkerque kommst du zum Louise-Michel-Platz, auf dem ganz oben Sacré-Coeur steht.
Du hast es verstanden, du musst nach oben.
Eine Standseilbahn auf der linken Seite des Parks ermöglicht es dir, ohne Anstrengung nach oben zu gelangen.
Und das zum Preis eines normalen Metrotickets.
Ziemlich praktisch.
Das kannst du auch machen, wenn du Probleme mit dem Treppensteigen hast.
Wir treffen uns dann an der Sacré-Coeur.
Ansonsten ist es in der Tat nicht diese Möglichkeit, die ich für uns vorgesehen habe.
Folge mir stattdessen und lass uns gemeinsam den Park auf der rechten Seite durch die Rue de Ronsard umrunden.
Auf deiner rechten Seite solltest du ein Industriegebäude sehen.
Es handelt sich um die Hallen Saint-Pierre.
Heute beherbergt das Gebäude ein Museum, das sich der naiven Kunst, der Art Brut, der Art Singulier ("singuläre Kunst") und der Outsider Art widmet.
Was ist Art Brut, naive, singuläre oder Outsider-Kunst?
Es ist nicht leicht, diese Kunstformen in wenigen Worten zusammenzufassen.
Eigentlich handelt es sich dabei um Malstile, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht den großen Regeln der akademischen Kunst folgen.
Die akademische Kunst ist die Kunst, die wir alle kennen, mit ihren Richtlinien für Perspektiven, Farben und Inszenierungen.
Diese Art von Kunst distanziert sich, absichtlich oder unabsichtlich, von der Sensibilität und der offiziellen Geschichte der Weltkunst.
Art Brut ist die Kunst der Verrückten und die Kunst von Außenseitern aller Art.
Auch die Art Singulier steht voll und ganz in ihrer Tradition, ebenso wie die Outsider-Kunst, die eher in den angloamerikanischen Ländern bekannt ist.
Die naive Kunst hat ihren Namen von der Ähnlichkeit mit Kinderzeichnungen.
Du kannst gerne die Ausstellungen in den Hallen Saint-Pierre besuchen, um diese unbekannten Kunstarten besser kennenzulernen.
Ansonsten setzen wir unseren Spaziergang auf der Rue de Ronsard fort.
An der Kreuzung der Rue Ronsard mit der Rue André del Sarte nimmst du die Treppe etwas nach links.
So gelangst du zu einem Platz (Rue Paul Albert).
Nimm erneut die Treppe nach links, um in die Rue Maurice Utrillo zu gelangen.
Bei Bedarf kannst du eine Toilettenpause einlegen.
Atme einmal tief durch.
Der Vorplatz vor der Basilika ist oft sehr voll.
Atme also tief durch, bevor du die Arena betrittst...
Basilika Sacré Coeur

Du hast es geschafft, du bist nun auf dem Gipfel von Sacré-Coeur angekommen!
Du bist hier auf 130 Metern Höhe, dem höchsten natürlichen Punkt von Paris.
Nur von Menschenhand errichtete Gebäude wie der Eiffelturm (330 Meter) sind höher.
Woher kommt der Name Montmartre?
Nun, darüber streiten sich die Geister.
Schon zu Zeiten der Gallier war der Hügel von Montmartre ein Ort der Anbetung für viele Pilger.
Soweit sind alle einverstanden.
Nur über den eigentlichen Glauben sind sich die Meinungen nicht einig.
Die einen meinen, dass Montmartre von Mons Martis (Berg von Mars) abstammt.
Andere behaupten hingegen, dass er von Mons Martyrum (Berg der Märtyrer) stammt.
Sicher ist, dass die spirituelle Dimension sehr präsent ist.
In der Geschichte wie auch heute. Zumindest, wenn du von den Touristen absiehst...

Ursprung der Basilika Sacré-Coeur
Die Basilika, die du vor dir siehst, wurde Ende des 19. Jahrhunderts entworfen.
In Zeiten einer tiefen nationalen Krise nach der Niederlage im französisch-preußischen Krieg.
Und vor allem nach den blutigen Ereignissen der Pariser Kommune.
Der 1875 begonnene Bau wurde 1914 nach langen und mühsamen Arbeiten fertiggestellt.
Der Bau dieses Gotteshauses war ursprünglich als Akt der nationalen Buße und als Symbol für die spirituelle Erneuerung Frankreichs gedacht.
Was war die Pariser Kommune?
Die Pariser Kommune war eine revolutionäre Regierungsform, die die Stadt Paris vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 regierte.
Nach der Niederlage Frankreichs im französisch-preußischen Krieg waren die Pariser unzufrieden mit der Art und Weise, wie das Land verwaltet wurde.
So beschlossen sie, die Verwaltung ihrer Stadt selbst in die Hand zu nehmen.
Sie führten Maßnahmen ein, die auf direkter Demokratie und innovativen sozialen Ideen basierten.
Die Regierung der Republik, die nach Versailles geflohen war, schickte jedoch Truppen, um Paris zurückzuerobern.
Es folgten heftige Kämpfe, insbesondere in der als „Semaine Sanglante“ (blutige Woche) bezeichneten Periode, die den Sturz der Kommune markiert.
Allein während der „Semaine Sanglante“ wurden schätzungsweise zwischen 10.000 und 30.000 Menschen massakriert (Historiker sind sich über die tatsächliche Zahl der Opfer nicht einig).
Systematische Massaker, Ermordung von Frauen, Kindern, Kranken und alten Menschen selbst in Krankenhäusern...
Die Blutwoche trägt ihren Namen leider zu Recht.
Eh nein, die Geschichte Frankreichs (und Montmartres) besteht nicht nur aus Liebe und Kunst!
Die Basilika Sacré-Coeur heute
Wie du dir vorstellen kannst, ist eine solche Kultstätte, die nach einem solchen Blutbad errichtet wurde, nicht jedermanns Sache.
Die Pariser Kommune gilt nämlich in der linken politischen Tradition Frankreichs weithin als Gründungsmoment, als Symbol für den Kampf um soziale Gerechtigkeit, direkte Demokratie und die Volksemanzipation.
Für die Kommunisten ist sie eine Prämisse der proletarischen Revolution.
Die Sozialisten bleiben zurückhaltender.
Sie zollten der Kommune vor allem wegen ihrer sozialen Fortschritte Respekt.
Regelmäßig fordern daher einige linke Politiker weiterhin die Umgestaltung und manchmal sogar die Zerstörung der Basilika im Namen des während der Kommune vergossenen Blutes.
Sie betrachten ein solches religiöses Gebäude an diesem Ort als eine Verneinung der Ideen, die zur Kommune geführt haben.
Als Zeichen ihrer schmerzhaften Entstehungsgeschichte steht die Basilika übrigens erst seit 2022 unter Denkmalschutz!
Architektur der Basilika Sacré-Coeur
Das Gebäude zeichnet sich durch seinen romanisch-byzantinischen Stil aus, eine Entscheidung, die der Basilika ihren einzigartigen Charakter im Vergleich zu anderen Pariser Bauwerken verleiht.
Die Basilika wurde aus dem Stein von Château-Landon erbaut.
Dieses Material hat die Besonderheit, dass es bei Regen Kalkstein absondert und so einen Selbstreinigungseffekt erzeugt.
Das erklärt auch, warum das Gebäude trotz der Pariser Luftverschmutzung makellos bleibt.
Praktisch, oder?
Eine weitere bemerkenswerte Tatsache ist, dass die Glocke „La Savoyarde“ in der Basilika die größte Glocke Frankreichs ist.
Sie hat einen Durchmesser von 3 Metern und wiegt 19 Tonnen.
Ihren Namen verdankt sie den vier Diözesen Savoyens, die sie finanziert haben.
Wenn es nicht zu voll ist, kannst du gerne in die Basilika hineingehen.
Dort siehst du das größte Mosaik Frankreichs mit einer Fläche von fast 480 m².
Auch die Krypta ist einen Besuch wert.
Um noch mehr Höhe zu gewinnen, steige zur Kuppel hinauf.
Über 300 Stufen führen dich zu den oberen Bereichen von Sacré-Cœur.
Die Belohnung ist der Anstrengung angemessen: ein 360°-Blick über Paris.
Komme dann wieder auf dem Vorplatz von Sacré-Coeur heraus und gehe in die Rue Azais, die sich auf der linken Seite befindet, wenn du mit dem Rücken zur Basilika stehst.
Am Ende der Rue Azais biegst du rechts in die Rue du Mont-Cenis ein (und lässt die Rue Saint-Eleuthère auf der linken Seite).
So erreichst du den (weltberühmten) Place du Tertre.
Place du Tertre
Geschichte des Place du Tertre
Der Place du Tertre ist das historische Herz des Dorfes Montmartre.
Heute wird er mit Künstlern und einem gewissen Bohème-Leben in Verbindung gebracht.
Dies war jedoch nicht immer so.
Im Mittelalter wachten die Nonnen der Abtei von Montmartre eifersüchtig über die Bäume, die sie dort gepflanzt hatten.
Auch öffentliche Hinrichtungen für lokale Kriminelle wurden dort abgehalten.
Ende des 17. Jahrhunderts zogen die Äbtissinnen um und die Atmosphäre änderte sich.
Es wurden Wohnhäuser errichtet.
1871 kam es zur Pariser Kommune, von der vorhin die Rede war.
Die Aufständischen stellten Kanonen auf...
Als die regierungstreuen Kräfte versuchten, sie zurückzuerobern, wurden sie erschossen.
Dieses Ereignis markiert den Beginn der Pariser Kommune.
Der Place du Tertre als Ort des künstlerischen Ausdrucks
Erst Ende des 19. Jahrhunderts entsteht der Ruf des Place du Tertre als Künstlertreffpunkt.
Künstler wie Picasso, Modigliani oder Utrillo leben und arbeiten hier.
Der Geist der Bohème ist dann auf seinem Höhepunkt.
Heute ist der Ort, wie du vielleicht schon bemerkt hast, auf den Tourismus ausgerichtet.
Restaurantbesitzer und Künstler liefern sich einen ständigen Kampf, um so viel Platz wie möglich zu belegen.
Im Laufe der Zeit haben sich die Terrassen der Restaurants tatsächlich ausgedehnt - auf Kosten der Künstler.
Mehr als drei Viertel des Platzes sind mittlerweile den Restaurants zugewiesen.
Das gefällt den Künstlern natürlich nicht (warum wohl!).
Ob die Pariser Stadtverwaltung den Cashflow der Restaurants gegenüber der künstlerischen Seele des Platzes bevorzugt?
Die Debatte bleibt offen!
Der Place du Tertre und die Entstehung des Begriffs "Bistro"
Das Restaurant auf dem Platz, "La Mère Catherine", soll der Ort gewesen sein, an dem der Begriff "Bistro" entstanden ist.
Nach der Niederlage Napoleons 1814 war Paris nämlich von ausländischen Truppen besetzt, insbesondere von den Russen.
Um schneller bedient zu werden, sollen die russischen Kosaken (in all ihrer Eleganz) es sich zur Gewohnheit gemacht haben, „bystro!“ (schnell!) zu brüllen.
Der Begriff „Bistro“ entstand.

Bevor wir weiterziehen, noch ein letztes Wort zu Salvador Dalí.
Ihm ist nämlich ein Museum gewidmet, gleich hinter dem Place du Tertre.
11 rue Poulbot: Etwas weiter, wenn du in die Straße einbiegst, die der Straße, von der du gekommen bist, gegenüberliegt.
Salvador Dalí und Montmartre
In den Berichten, die du hier und da über Montmartre auf Deutsch findest, wirst du oft von Dalí hören.
In der französischen Vorstellung hat Dalí jedoch nicht wirklich die künstlerische Identität von Montmartre geprägt.
Künstler wie Toulouse-Lautrec, Renoir, Picasso oder Valadon schon.
Aber Dalí nicht.
Er lebte zwar eine Zeit lang dort, allerdings nur kurz.
Tatsächlich hatte er keine nennenswerten Verbindungen zu dem Viertel Montmartre.
Als Dalí sich später in Paris aufhielt, besuchte er vor allem die Viertel am Südufer der Seine.
Darunter Montparnasse, das in den 1920er und 1930er Jahren zum Epizentrum des Pariser Kunstlebens geworden war.
Damit wurde Montmartre als künstlerisches Zentrum der Jahrhundertwende verdrängt.
Dieses Dalí-Museum hier in Montmartre ist also nicht das Ergebnis einer authentischen historischen Verbindung zwischen Dalí und Montmartre, sondern vielmehr eine spätere kommerzielle und kulturelle Initiative.
Der hohe Touristenandrang in der Gegend ist nicht ganz unschuldig an diese Entscheidung... 🤷♀️
Und warum berichten ausländische Websites und Reiseführer so viel über Dalí in Montmartre?
Meiner Meinung nach liegt das daran, dass fast jeder den Namen Dalí schon einmal gehört hat.
Wenn du hingegen von Toulouse-Lautrec oder Utrillo sprichst, ist das schon etwas elitärer.
Verlasse den Place du Tertre auf demselben Weg, auf dem du gekommen bist, und biege sofort nach links in die Rue du Mont-Cenis ein.
Folge der Straße geradeaus. Auf der rechten Seite siehst du den Wasserturm von Montmartre.
Du kannst dort einen kurzen Halt machen, wenn du möchtest.
Ansonsten gehe weiter.
Du gelangst anschließend zu einer Treppe.
Montmartre Treppen und Rue Saint Vincent
Diese Treppen sind die Treppen von Mont-Cenis.
Ein ziemlich netter Ort, um Fotos von diesen ziemlich emblematischen Treppen von Montmartre zu machen.
Gehe sie hinunter.
Du kommst nun zu einer Straße, in der du wieder eine Treppe vor dir hast.
Auf der rechten Seite, in der Rue Saint-Vincent 11, wohnten der Komponist Hector Berlioz und seine Frau.
Wer war Hector Berlioz?
Hector Berlioz (1803-1869) war ein französischer Komponist, Dirigent und Musikkritiker.
Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Harold en Italie“ (1834), „Roméo et Juliette“ (1839), „La Damnation de Faust“ (1846) und vor allem sein Meisterwerk „Les Troyens“ (1858).
Zu umfangreich, wurde „Les Troyens“ zu seinen Lebzeiten nie vollständig aufgeführt.
Seine Werke wurden in Paris oft missverstanden und schlecht aufgenommen.
Die Franzosen hielten seine Musik für zu komplex, zu innovativ, ja sogar für „kakophonisch“.
Im Gegensatz dazu war Berlioz im Ausland sehr erfolgreich, vor allem in Russland, Deutschland und England.
Er war übrigens fasziniert von der deutschen Literatur, insbesondere von Goethe und der deutschen romantischen Bewegung.
Er bewunderte auch deutsche Komponisten zutiefst und seine Musik beeinflusste die deutsche Schule, insbesondere Wagner und Richard Strauss, erheblich.
Berlioz selbst sagte, dass er sich in Deutschland oft mehr verstanden fühlte als in Frankreich, obwohl er seinem Heimatland tief verbunden blieb.
Er starb 1869 in Paris, verbittert und in der Überzeugung, dass seine Musik in Vergessenheit geraten würde.
Die wirkliche Anerkennung seines Genies in Frankreich kam erst Jahrzehnte nach seinem Tod, während er in vielen anderen europäischen Ländern bereits als großer Komponist gefeiert wurde.
So viel zum Musikgeschmack der Franzosen... 😂
Biege in der Rue Saint-Vincent nach links ab.
Zu deiner Linken befindet sich jetzt der wilde Garten Saint-Vincent.
Jardin sauvage Saint Vincent
Zu unserem Pech ist der Garten Saint-Vincent für die Öffentlichkeit geschlossen.
Er ist nur im Rahmen von Führungen zugänglich, die von der Stadt organisiert werden.
Dies ist ein bewusster Wunsch, diesen 2.000 m2 großen „ungepflegten“ Garten so wild wie möglich zu belassen.
Das Ziel ist nämlich, im Herzen von Paris ein Mindestmaß an biologischer Vielfalt zu erhalten und die spontane Flora des Hügels zu bewahren, wie sie vor der Urbanisierung existierte.
Mehr als 100 Pflanzenarten sind hier verzeichnet.
Die Weinberge von Montmartre
Folge weiter der Rue Saint-Vincent.
Auf der linken Seite, nach dem Garten Saint Vincent, befindet sich der Weinberg Clos Montmartre.
Clos Montmartre: Der Wein von Montmartre
Weinberge sind in Montmartre seit dem 10. Jahrhundert belegt.
Im 18. Jahrhundert war der Hügel von Montmartre somit zu drei Vierteln mit Weinreben bedeckt.
Montmartre lag damals außerhalb der Grenzen von Paris. Daher unterlag der Wein dort nicht der Stadtsteuer, was die Entwicklung der Cabarets förderte.
1860 wurde Montmartre nach Paris eingemeindet und zahlreiche Wohnhäuser wurden errichtet.
Anstelle der Weinberge befand sich damals ein Garten, in den der Maler Toulouse-Lautrec zum Malen gekommen sein soll.
Der Clos Montmartre, wie du ihn heute siehst, wurde 1933 angelegt, um den Bau von Gebäuden auf diesem Gelände zu verhindern.
Dieser Weinberg mit 1762 Rebstöcken produziert etwa 500 Flaschen pro Jahr.
Jeden Oktober wird diese bewahrte Weinbautradition mit dem Weinlesefest von Montmartre gefeiert.
Der erste Jahrgang wurde versteigert, um soziale Einrichtungen des Viertels zu finanzieren - eine Tradition, die bis heute anhält.
Eine Flasche dieses seltenen Weins wird heute für bis zu mehrere hundert Euro verkauft.
Dennoch wird er von Önologen als „mittelmäßig gut“ (um höflich zu bleiben) eingestuft.
Der Zugang zu den Weinbergen ist der Öffentlichkeit leider nur unter außergewöhnlichen Umständen gestattet.
Au Lapin Agile
Auf der anderen Straßenseite, an der Kreuzung mit der Rue des Saules 22, siehst du ein orange-rosafarbenes Kabarett mit einem ungewöhnlichen Namen: Das berühmte Kabarett „Au Lapin Agile“.
Geschichte des Kabaretts Au Lapin Agile
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert traf sich die gesamte künstlerische Bohème von Montmartre hier im Au Lapin Agile.
Unter ihnen waren all die Künstler, von denen ich dir schon erzählt habe, und noch viele andere: Picasso (Maler), Max Jacob (Dichter), Modigliani (Maler), Apollinaire (Dichter)...
Es handelt sich hier um eines der ältesten Kabaretts in Paris.
Der Name „Lapin Agile“ geht auf ein Wortspiel zurück.
Das Lokal hieß nämlich ursprünglich „Cabaret des Assassins“ (Kabarett der Mörder) mit einem von André Gill gemalten Schild, das ein Kaninchen zeigt, das aus einem Kochtopf entweicht.
Die Stammgäste machten so aus „Lapin à Gill“ („Hase von Gill“) den Namen „Lapin Agile“ („Flinker Hase“).
Das Kabarett ist auch heute noch in Betrieb.
Lustige Anekdote rund um das Cabaret Au Lapin Agile
Im Jahr 1910 lieh sich der französische Schriftsteller Roland Dorgelès Lolo, den Esel des Wirts von Au Lapin Agile.
Er band ihm einen Pinsel an den Schwanz und fütterte ihn.
Beim Anblick eines solchen Festmahls wedelte der Esel Lolo vor Freude hektisch mit dem Schwanz und trug so Farbe in verschiedenen Farben auf eine Leinwand auf.
Als das Werk vollendet war, nannte Dorgelès das Bild „Et le soleil s'endormit sur l'Adriatique“ (Sonnenuntergang über der Adria).
Dann behauptete er, es sei von einem unbekannten italienischen Künstler namens Boronali gemalt worden.
Anschließend stellte er das Werk in einem der größten Kunstausstellungsräume der damaligen Zeit aus: dem Salon des Indépendants.
Laut Dorgelès war sein Ziel, „den Narren, den Unfähigen und den Eitlen, die einen großen Teil des Salon des indépendants verstopfen, zu zeigen, dass das Werk eines Esels, das mit großen Schwanzschlägen gebürstet wurde, unter ihren Werken nicht deplatziert ist“.
Der Witz löste damals in der Kunstwelt einen Skandal aus. 😂

Gehe weiter geradeaus in die Rue Saint-Vincent.
Du gelangst nun in ein authentischeres Viertel.
Am Ende der Straße siehst du dann einen Platz auf deiner rechten Seite. Gehe weiter und halte dich auf der linken Seite des Platzes.
Biege links in Richtung der Buchhandlung L'Attrape-Coeurs auf der Avenue Junot ab.
Hier bist du in einem unbekannteren Montmartre, das weniger touristisch ist.
Es ist auch etwas familienfreundlicher.
Also reichfamilienfreundlicher.
Nicht jeder kann es sich ja leisten, hier zu wohnen.
Die Villa Léandre
Gehe etwa 250 Meter weiter auf der Avenue Junot. Bewundere dabei die wunderschönen bürgerlichen Gebäude.
Einige von ihnen mit ihren großen Fenstern machen richtig Lust, darin zu wohnen.
Auf der rechten Seite solltest du eine Sackgasse mit dem Namen Villa Léandre sehen.
Gehe in die Straße hinein.
Kleine Geschichte der Villa Léandre
Es ist heute kaum zu glauben, aber im 18. Jahrhundert stand hier eine Windmühle.
Diese drohte jedoch aufgrund der unterirdischen Steinbrüche, auf denen sie gebaut war, einzustürzen.
Die Mühle wurde daher im 19. Jahrhundert abgerissen.
Der Ort wurde zu einem „Maquis“, wie man damals sagte.
Heute würde man es wohl eher als Slum bezeichnen.
Aber „Maquis“ klingt einfach besser!
Als Montmartre 1860 nach Paris kam, wurden dort massenhaft Gebäude gebaut.
Die Villa Léandre entstand in den 1920er Jahren.
Das krasse Elend wich dem Chic dieser Häuser im anglonormannischen Stil bzw. im Jugendstil.
Manche sagen, dass ihr Baustil absichtlich von englischen Cottages inspiriert wurde, weil ihr Bauträger ein Bewunderer der britischen Kultur war.
Ob wahr oder nicht, sicher ist, dass die Villa Léandre eine wahre Augenweide ist!
Schau dir mal das Haus Nr. 10 an, wo die Eigentümer ein humorvolles Schild mit der Aufschrift „Downing Street“ angebracht haben, das sich auf den Sitz des britischen Premierministers bezieht.
Recht witzig!
Kehre zur Avenue Junot zurück und gehe weiter.
Gleich hinter der Villa Léandre solltest du auf der rechten Seite einen mit einem Gitter versperrten Weg sehen: die Passage de la sorcière (Hexenpassage).
Passage de la Sorcière
Auch hier gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Herkunft des Namens.
Einige sagen, dass diese winzige Passage ihren Namen von einer Heilerin hat, die hier im 19. Jahrhundert lebte.
Andere wiederum meinen, dass es an einer möglichen Quelle liegt, die inzwischen versiegt ist.
Leider trafen sich dort nicht immer wohlgesinnte Menschen und der Durchgang war nicht immer gut besucht.
Die Anwohner haben daher vor einigen Jahren die Schließung des Durchgangs gefordert.
Folge der Avenue Junot etwa 50 m und überquere die Straße, um über eine kleine Treppe zum Square Suzanne Buisson zu gelangen.
Square Suzanne Buisson
Wenn du dich einen Moment ausruhen möchtest, ist der Square Suzanne Buisson ideal dafür geeignet.
Dort gibt es auch einen Spielplatz für Kinder.
Und für ein Picknick bieten sich dir zahlreiche Bänke an.
Bei schönem Wetter ist dieser Platz besonders einladend.
Dieser Platz ist nach Suzanne Buisson benannt, einer französischen jüdischen Widerstandskämpferin, die 1943 von der Gestapo verhaftet wurde und in Auschwitz starb.
Eine Statue von Saint Denis, dem Schutzpatron von Paris, befindet sich übrigens in der Mitte des Platzes, neben dem Brunnen.
Geschichte des Heiligen Denis von Paris
Denis kam 245 n. Chr. aus Italien und wurde beauftragt, das Gebiet von Gallien zu evangelisieren.
Er erweckte dabei einen unglaublichen Eifer bei der Bevölkerung... was den Römern überhaupt nicht gefiel.
Und du kennst ja die Römer, sie waren nicht immer Chorknaben (wenn man das hier so sagen darf!).
Im Jahr 250 wurde Denis somit verhaftet und auf dem Hügel von Montmartre enthauptet.
Der Legende nach hat Denis nach seiner Enthauptung seinen Kopf aufgehoben und ist weitergegangen, geführt von einem Engel.
Er hielt dann genau hier an, um seinen Kopf im Brunnenwasser zu waschen (Hmmm lecker!).
Dann soll er mit seinem Kopf in den Händen weiter zu seiner Grabstätte, der heutigen Basilika Saint-Denis im Norden von Paris, gegangen sein.
Das Wasser dieses Brunnens hatte früher auch die Kraft, den Ehemännern die Treue ihrer Frauen zu garantieren: „Junges Mädchen, das das Wasser des Brunnens Saint Denis getrunken hat, bleibt ihrem Mann treu“, so lautet ein französisches Sprichwort.
Ob das auch umgekehrt gilt, ist nicht überliefert. 🙃
Allée des Brouillards & Dalida
Überquere den Platz Suzanne Buisson, indem du den Treppenweg mit großen, niedrigen Stufen hinuntergehst, der sich rechts neben der Statue von Saint-Denis befindet, wenn du ihr gegenüber stehst.
Falls nötig, findest du unten eine Toilette.
Wenn du unten am Place Casadesus angekommen bist, siehst du einen ganz kleinen Durchgang mit einer Treppe auf der rechten Seite.
Nimm ihn.
Du bist nun in der sogenannten „Allée des brouillards“ (Nebelgasse).
Allée des Brouillards (Nebelgasse)
Die Allée des brouillards ist wie das benachbarte Château des Brouillards nach einem alten Bauernhof und einer Mühle benannt, die ihren Namen wegen des Nebels erhielten, der die Landschaft umhüllte.
In Nr. 8 wohnten Ende des 19. Jahrhunderts der berühmte Maler Auguste Renoir und seine Familie.
Der Dachboden diente dem Maler als Atelier.
Hier wurde übrigens 1894 der Sohn von Auguste Renoir, Jean Renoir, geboren.
Jean Renoir ist einer der Pioniere des französischen Films.
Ihm verdanken wir die Filme La Règle du jeu, La Grande Illusion oder auch French Cancan.

Als Nächstes kommst du zu einer Frauenbüste... deren Brust besonders stark berührt wurde! Es handelt sich um die berühmte Sängerin Dalida.
Büste von Dalida
Jeder Franzose kennt Dalida (1933-1987).
Sie ist wirklich eine Symbolfigur der Popkultur bei uns.
Imitatoren ahmen sie auch heute noch sehr gerne nach, da ihre Stimme und ihr Stil unter Tausenden wiedererkennbar sind.
Dalida wurde als Tochter italienischer Eltern in Kairo geboren.
1954 gewann sie den Titel der Miss Ägypten, bevor sie nach Frankreich kam, um eine Filmkarriere zu verfolgen.
In Paris wurde sie schnell vom Direktor der Veranstaltungshalle Olympia entdeckt.
Ihre Karriere als Sängerin begann.
Insgesamt verkaufte Dalida mehr als 120 Millionen Platten und hatte große Erfolge wie „Paroles, paroles“ (mit Alain Delon), „Gigi l'amoroso“ oder „Mourir sur scène“.
Doch dieser Erfolg ist nur die heitere Seite des Lebens der Künstlerin.
Ihr Privatleben und insbesondere ihr Liebesleben sind von zahlreichen Dramen geprägt.
Mehrere ihrer Ehemänner und Lebensgefährten begingen Selbstmord.
Sie war selbst depressiv und beging im Mai 1987 in ihrem Haus in Montmartre Selbstmord, wobei sie eine Nachricht hinterließ: "Das Leben ist mir unerträglich.... Vergib mir.".
Warum fassen die Leute ihr dann so oft an die Brust?
Nun... hm... meiner Meinung nach hat das nichts mit Dalida selbst zu tun!
Ich denke, es ist einfach nur die unfeine Seite einiger Leute, die beim Anblick ihrer üppigen Brüste zum Vorschein kommt.
Rue de l'Abreuvoir und Maison Rose
Wir kehren hier in das touristischere Montmartre zurück.
Die kommenden Straßen könnten voller sein als die, die du gerade besucht hast.
Die große Straße, die dir gegenüberliegt, wenn du neben der Büste von Dalida stehst, heißt Rue de l'Abreuvoir.
Rue de l'Abreuvoir (Straße der Tränke)
Die Rue de l'Abreuvoir verdankt ihren Namen von ihrer Lage auf der Trasse, die zum Brunnen führte.
Der Brunnen wurde nämlich nicht nur für die Menschen, sondern auch als Tränke für die zahlreichen Tiere genutzt.
Gehe die Straße hinauf bis zum berühmten Maison Rose, das du auf der linken Seite siehst.
Geschichte von La Maison Rose
Das 1908 eröffnete La Maison Rose war ein wichtiger Treffpunkt für die Künstler des Montmartre des 20. Jahrhunderts.
Seine leuchtend rosa Farbe soll nach einem Aufenthalt in Katalonien von der Besitzerin Germaine Pichot ausgewählt worden sein.
Das Maison Rose wurde schnell zu einem Ort, an dem sich die Künstler von Montmartre trafen.
Heute ist es einer der meistfotografierten Orte in Montmartre und es diente als Kulisse für zahlreiche Filme.
Germaine Pichot, Symbolfigur von Montmartre
Laure Gargallo (1880-1948), Pseudonym Germaine Pichot ist heute eine weniger bekannte Persönlichkeit.
Dennoch ist sie völlig symbolisch für das, was Montmartre zu Beginn des 20. Jahrhunderts war.
Als Modell und Kabaretttänzerin war sie auch eine enge Freundin und Jugendliebe des Malers Picasso.
Es war ebenfalls aus Liebe zu ihr, dass Picassos enger Freund, der Maler Carles Casagemas, im Alter von 20 Jahren Selbstmord beging, nachdem er versucht hatte, sie zu töten.
Dieser Selbstmord hinterließ bei Picasso einen tiefen Eindruck und begründete den Beginn seiner „blauen Periode“.
Picasso nahm Gargallo auch als Modell für sein Meisterwerk Les Demoiselles d'Avignon im Jahr 1907.
Nach ihrer Heirat mit einem gewissen Pichot wurde Tante Laure, wie sie damals genannt wurde, die Wirtin des La Maison Rose.
Das Leben der Bohême, ihre freie Liebe, ihre Kunst, ihre Exzesse, ihre Armut und teilweise auch ihre Verbrechen verkörperten sich in diesem Bistro ebenso wie in seiner Betreiberin.
Selbst am Ende ihres Lebens, zahnlos, einsam und an Syphilis leidend, empfing sie weiterhin regelmäßige Besuche von einem ruhmreichen Picasso.
Eine Schattenfigur einer der berühmtesten Institutionen von Montmartre.
Place Marcel Aymé und Passe-Muraille
Das Maison Rose auf der linken Seite, biege rechts in die Rue des Saules ein.
Am Ende der Rue des Saules gehst du etwa 150 m rechts auf der Rue Norvins weiter, bis du den Place Marcel Aymé erreichst.
Dort solltest du die Skulptur eines Mannes sehen, der aus der Mauer herausragt.
Wer war Marcel Aymé ?
Marcel Aymé (1902-1967) war ein französischer Schriftsteller und Dramatiker.
Sein Stil zeichnet sich durch eine Mischung aus Realismus, Fantasy und satirischem Humor aus.
Aymé war eine komplexe Persönlichkeit.
Er veröffentlichte in kollaborationistischen Zeitungen und verteidigte heftig einige seiner Freunde, die nach dem Krieg wegen Kollaboration mit den Nazis verurteilt und erschossen wurden.
Gleichzeitig schloss er sich nie den Besatzern an und machte sich vor 1939 viel über die Nazis lustig.
Er soll sich auch vehement gegen die Einführung des gelben Sterns für Juden ausgesprochen haben.
Der Passe-Muraille
Die Skulptur stellt eine Figur aus Marcel Aymés Kurzgeschichte „Le Passe-Muraille“ dar.
Dieser hatte die magische Fähigkeit, durch Wände zu gehen... zumindest bis zu jenem Tag, an dem er in einer Mauer stecken blieb und sich darin verfing.
Die Gesichtszüge der Figur sind von denen des Autors inspiriert.
Aymé wohnte nämlich lange Zeit in dem Viertel.
Die Spiele der Kinder auf diesem Platz unter seinen Fenstern sollen ihn zu seinem Werk inspiriert haben.
Die Hand der Skulptur zu berühren, soll hier auch Glück bringen.
Moulin de la Galette
Lass die Skulptur auf deiner rechten Seite liegen und gehe gleich links in die Straße, die Rue Girardon.
Auf deiner rechten Seite siehst du die Moulin de la Galette, das symbolträchtige Restaurant von Montmartre.
Moulin de la Galette
Die Moulin de la Galette ist die letzte Windmühle in Paris.
Sie ist die einzige Überlebende von vielen aus einer Zeit, in der Montmartre noch das Pariser Umland war.
Eigentlich gibt es zwei Mühlen: die Moulin Blute-Fin und die Moulin Radet.
Die Mühle hier ist die Radet.
Die Mühle Blute-fin hingegen befindet sich etwas weiter weg, unsichtbar, auf einem Privatgrundstück in der Rue Lepic.
Der Name „Galette“ kommt daher, dass hier ein Fladen aus Roggenbrot gebacken wurde, den die Besitzer mit einem Glas Milch servierten.
Im 19. Jahrhundert wurde der Ort zu einer beliebten Guinguette, in der man tanzen, trinken und essen konnte.
Künstler, Arbeiter und Kleinbürger besuchten ihn in einer fröhlichen und festlichen Atmosphäre.
Die Moulin de la Galette wurde so zu einem Symbol für das Pariser Leben in der Belle Époque (vor dem Ersten Weltkrieg).
Auch viele impressionistische Maler verkehrten hier.
Auguste Renoir, dessen Wohnhaus wir vorhin in dem schmalen Durchgang zur Büste von Dalida gesehen haben, malte den Ort in seinem Gemälde „Bal du Moulin de la Galette“ (1876).
Van Gogh, Picasso, Toulouse-Lautrec und viele andere haben die Mühle ebenfalls verewigt und uns so wertvolle Zeugnisse des gesellschaftlichen Lebens in Paris am Ende des 19. Jahrhunderts hinterlassen.

Place Emile Goudeau und das Bateau-Lavoir
Gehe geradeaus weiter und biege in die kleine Rue d'Orchampt ein.
Die Rue d'Orchampt biegt an einer Stelle nach links ab.
Das Haus zu deiner Rechten an der Kurve ist das Haus, in dem Dalida früher gelebt hat.
Gehe weiter auf der Rue d'Orchampt.
Wenn du am Ende angekommen bist, siehst du auf der rechten Seite den Platz Emile Goudeau.
Dieser Platz war früher unter dem Namen „Place Ravignan“ bekannt und diente der künstlerischen Bohème des frühen 20. Jahrhunderts als Treffpunkt.
Du kannst diesen Zwischenstopp nutzen, um deine Trinkflasche in einem der Brunnen auf dem Platz aufzufüllen.
Vor allem aber solltest du einen Blick auf das sogenannte Bateau-Lavoir in der Nummer 11 bis werfen.
Das Bateau-Lavoir
Auch hier ist der Ursprung dieses ungewöhnlichen Namens „Bateau Lavoir“ (Waschboot) unklar.
Der Begriff „bateau“ (Boot) könnte von der früheren Aufteilung der Wohnungen herrühren.
Verteilt auf beiden Seiten eines Korridors, würde dies den Gängen eines Passagierschiffs ähneln.
Der Begriff „Lavoir“ (Waschhaus) hingegen ist unsicherer.
Eine Legende besagt, dass der Autor Max Jacob durch die Wäsche, die eines Tages draußen trocknete, zu diesem Namen inspiriert wurde.
Laut einer anderen Erklärung ähnelte das Gebäude den Booten aus Holz und Glas am Ufer der Seine, in denen die Hausfrauen ihre Wäsche wuschen.
Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass Max Jacob den Begriff benutzte, um sich über die damaligen prekären Lebensbedingungen im Haus lustig zu machen: ein einziger Wasserhahn und eine einzige Toilette für 25 Mieter.
Im Winter war es so kalt, dass die Künstler mit Handschuhen malen mussten.
Ein Brand zerstörte das ursprüngliche Gebäude 1970, aber es wurde originalgetreu wiederaufgebaut.
Wer war Max Jacob?
Max Jacob (1876-1944) war ein französischer Autor und Maler jüdischer Abstammung aus der Bretagne.
Er war eine wichtige Figur der künstlerischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ein enger Freund von Pablo Picasso und Guillaume Apollinaire.
Im Jahr 1915 konvertierte er zum Katholizismus, nachdem er Christus an der Wand seines Schlafzimmers hatte erscheinen sehen.
Picasso wurde sein Taufpate (schick, nicht wahr?).
Sein Glaube wurde seitdem zum Mittelpunkt seines Lebens und seiner Werke.
Er war ein Exzentriker, Dandy und vor allem ein äußerst lustiger Vertreter des künstlerischen Geistes von Montmartre.
Kurz gesagt: alles, was die Nazis hassen.
Obwohl er zum Katholizismus konvertierte, wurde er im Februar 1944 bei einer antisemitischen Razzia verhaftet.
Der berühmte Dichter Jean Cocteau initiierte eine Petition, um seine Freilassung zu erwirken.
Allerdings vergeblich.
Max Jacob verstarb im März 1944 an Erschöpfung und Lungenentzündung im Lager Drancy.
Für Jazzliebhaber: Der Jazz-Gitarrist Django Reinhardt lebte ebenfalls am Place Goudeau Nummer 11.
Amélie Poulain und das Abbesses-Viertel
Gehe die wenigen Stufen zum unteren Ende des Platzes hinunter und dann direkt nach links in die Rue des Trois-Frères.
Zu deiner Linken solltest du bald den Supermarkt „Au Marché de la Butte“ sehen, der durch den Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ berühmt wurde.
Die fabelhafte Welt der Amélie und Montmartre
Diese 2001 erschienene romantische Komödie mit einem Hauch von Magie dreht sich um das Leben von Amélie, gespielt von Audrey Tautou, und ihre Liebe zu Nino (Mathieu Kassovitz).
Der Film ist mit über 20 Millionen Zuschauern weltweit einer der größten Erfolge in der Geschichte des französischen Kinos.
Der Film spielt hauptsächlich in Montmartre.
Ein idealisierter, romantischer und malerischer Montmartre, was signifikant zum Tourismus in diesem Viertel beigetragen hat.
Du wirst übrigens feststellen, dass viele Geschäfte und Touristenorte in Montmartre diesen „Amélie Poulain“-Effekt noch ausnutzen.
Der Dorfgeist des Montmartre mit seinen lokalen Geschäften und seiner gemeinschaftlichen Atmosphäre wird dann in den Vordergrund gerückt.
Auch wenn, ehrlich gesagt, inzwischen vor allem der Tourismus hier die Hauptrolle spielt.
Auf der anderen Seite der Rue des Trois Frères in Bezug auf den Marché de la Butte siehst du eine Treppe, die Passage des Abbesses.
Nimm sie.
Zu deiner Linken befindet sich dann ein Eingang, der zum Jardin des Abbesses führt.
Ein toller, intimer und erholsamer Ort, um bei Bedarf ein wenig Kraft zu tanken.
Hier stehen auch einige Bänke.
Kehre zur Passage des Abbesses zurück und gehe weiter bis zur Einkaufsstraße Rue des Abbesses.
Wenn du in der Rue des Abbesses angekommen bist, biege nach rechts ab.
Du erreichst dann den Place des Abbesses.
Garten, Durchgang, Straße, Platz der Abbesses...
Du wirst es verstanden haben, hier drehte sich früher alles um die Äbtissinnen!
Sehenswertes am Place des Abbesses
Mehrere Elemente sind an diesem Platz bemerkenswert.
Die Metro natürlich mit ihrem wunderschönen, typischen Eingang.
Die Station Abbesses ist übrigens die tiefste Station der Pariser Metro: 36 Meter tief (das entspricht einem 12-stöckigen Gebäude).
Die Fahrgäste, die dort aussteigen, können nur hoffen, dass der Aufzug nicht kaputt geht...
Außerdem solltest du einen Blick auf ein Gebäude werfen, das von den Touristen auf dem Platz oft vergessen wird: die Kirche Saint Jean de Montmartre.
In Montmartre denkt man oft an Sacré-Coeur, wenn es um Religion geht. Aber auch diese hier ist einen Besuch wert.
Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut.
Die Bevölkerung von Montmartre wuchs damals zusehends und die historische Kirche wurde allmählich zu klein.
Nach vielen Irrungen und Wirrungen wurde diese zweite Kirche gebaut.
Der Architekt entschied sich für einen in vielerlei Hinsicht innovativen Stil.
Er wagte es, Eisenguss und Stahlzement in den Bau einzuführen.
Außerdem entschied er sich für ein recht modernes orientalistisches Dekor, das heute seinen ganzen Charme ausmacht.
Von der Place des abbesses aus solltest du bereits unseren nächsten Halt sehen: den Square Jehan Rictus und seine berühmte Mur des Je t'aime.
Mur des Je t'aime
Diese vom Künstler Frederic Baron erdachte und im Jahr 2000 eingeweihte Mauer symbolisiert den Frieden, die Vereinigung und die weltweite Versöhnung.
Die Mauer, normalerweise eine Allegorie für Grenzen und Individualismus, ist hier eine Botschaft des Friedens.
Um all diese Schriften zu sammeln, verbrachte Frederic Baron Jahre damit, Botschaften, Nachbarn, Freunde und Passanten zu bitten, „Ich liebe dich“ in ihrer Sprache in sein Notizbuch zu schreiben.
Dann setzte die Malerin und Kalligraphin Claire Kito sie zusammen, um das heute sichtbare Ergebnis zu erzielen.
Die Wand besteht aus genau 612 glasierten Lavafliesen auf ca. 40 m2. 311 Sprachen, darunter auch die Gebärdensprache, sind darauf abgebildet.
Die roten Splitter, die auf dem Fresko verteilt sind, stellen die Teile eines gebrochenen Herzens dar.
Wenn man sie zusammensetzt, ergeben sie ein ganzes Herz.
Rue Lepic
Gehe wieder in die Rue des Abbesses (die Richtung, in der du angekommen bist).
Die Einkaufsstraße ist in der Regel besonders fröhlich und lebhaft.
Touristen und Einheimische mischen sich hier.
Wenn du einen kleinen Hunger hast, sind die Cookies von Laura Todd in der 63 Rue des Abbesses köstlich.
Super teuer, aber köstlich.
300 Meter nach dem Place des Abbesses und direkt nach den Cookies von Laura Todd siehst du auf der linken Seite die Rue Lepic.
Gehe die Straße Lepic hinunter.
Rue Lepic
Hier verläuft die Rue Lepic gerade.
Je weiter oben sie jedoch ansteigt, desto mehr S-förmige Kurven bildet sie.
Die Rue Lepic ist daher als eine der kurvenreichsten Straßen von Paris bekannt.
Sie wurde so gebaut, damit die Pferde leichter den Hang hinaufgehen konnten.
Die Windmühlen auf dem Montmartre produzierten Mehl, das dann zu seinen Empfängern transportiert werden musste.
Vincent Van Gogh lebte auch mit seinem Bruder Theo in der Rue Lepic 54, weiter oben auf der Straße.
Dort malte er viele seiner Pariser Werke.
Allerdings kannst du heute von der Straße aus nicht mehr viel sehen.
In der Rue Lepic 15 erkennst du außerdem vielleicht das Café des 2 Moulins.
Nein?
Das sagt dir nichts?
Doch, das Café, in dem Amélie in Die fabelhafte Welt der Amélie arbeitet!
Moulin Rouge
Du bist jetzt an der Metro Blanche angekommen.
Das Ende unserer Tour ist erreicht.
Bevor du an der Station Blanche in die Metro einsteigst, solltest du aber unbedingt einen Blick in das berühmte Moulin Rouge werfen.
Eine weitere Institution in diesem Viertel, an der es wirklich nicht mangelt!
Moulin Rouge
Das 1889 gegründete Moulin Rouge ist ein Symbol für den festlichen und libertinen Geist des Paris des späten 19. Jahrhunderts.
Es ist an seiner ikonischen roten Mühle zu erkennen.
Vor allem aber ist das Moulin Rouge dafür berühmt, den French Cancan populär gemacht zu haben.
Diesen ikonischen Tanz, bei dem hübsche, superflexible junge Mädchen ihr Bein hochheben, indem sie ihre Röcke zu einer mitreißenden Musik lüften.
Das Moulin Rouge ist ein ziemlich besonderes Etablissement in Montmartre.
Es markiert nämlich die Grenze zwischen Montmartre und Pigalle, zwischen künstlerischer Bohème und volkstümlicher Unterhaltung.
Heute empfängt es durchschnittlich 600.000 Besucher pro Jahr.
Und doch kenne ich niemanden, der schon einmal dort war!
In den Köpfen der Pariser ist das Moulin Rouge nämlich eindeutig „was für Touristen“. 🤷♀️
Fazit und Erweiterungsmöglichkeiten
Du kannst jetzt wieder in die Metro steigen, um zu deinem Hotel zurückzukehren oder deine Entdeckungstour durch Paris fortzusetzen.
Wenn du Montmartre weiter erkunden möchtest, kannst du ruhig zum Friedhof Montmartre schlendern.
Weit ist es nicht.
Du musst nur am Moulin-Rouge vorbeigehen und rechts in die nächste Straße einbiegen.
Dort findest du die Gräber vieler Berühmtheiten: Dalida und Berlioz, die wir bereits erwähnt haben.
Aber auch Stendhal (Schriftsteller), Michel Berger (Sänger), François Truffaut ( Filmregisseur) oder der deutsche Schriftsteller Heinrich Heine, der hier seit 1856 begraben liegt.
Ich hoffe jedenfalls, dass dir diese Tour gefallen hat.
Schöne Entdeckungen in Paris!
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